Stadtgrün – Konzepte für mehr Begrünung in München

Stadtgrün – Konzepte für mehr Begrünung in München

Stadtgrün in der Asamstraße 23 in München

Es zwitschert, es flattert, es summt, es sirrt und  sieht gut aus Durch die Begrünung von Fassaden und Dächern lässt sich die zunehmende Oberflächenversiegelung nicht wettmachen, trotzdem liefert sie einen Beitrag zu einer ökologischeren Freiraumgestaltung

Der Klimawandel macht sich auch in Deutschland bemerkbar: Die letzten fünf Jahre waren die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen. Der Temperaturanstieg trifft vor allem unsere Städte. Diese müssen frühzeitig Konzepte für die Anpassung an den Klimawandel entwickeln. Die effektivste und zugleich natürliche Lösung lautet Begrünung.

Die MünchnerInnen scheinen den Frühlingsanfang mit wärmeren Temperaturen herbeigesehnt zu haben: Wer an einem warmen Wochenende an der Isar in Richtung Flaucher entlang unterwegs ist, findet kaum ein freies Plätzchen auf den Wiesen. Bleibt es bei den aktuellen klimatischen Entwicklungen, könnten warme Tage jedoch bald häufiger und auch heißer sein, als den meisten lieb ist: Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwartet eine deutliche Zunahme heißer Tage mit einer Höchsttemperatur von mindestens 30 Grad – Prognosen gehen gar von einer Vervierfachung gegenüber der heutigen Zahl aus. Besonders betroffen vom Temperaturanstieg: Unsere Städte, in denen im Stadt-Land-Vergleich bereits jetzt höhere Temperaturen herrschen.

Die Besonderheiten des Stadtklimas beschäftigen schon seit Zeiten der Römer und Griechen die Stadtplaner: Dichte Bebauung und Versiegelung bei gleichzeitig geringer Luftbewegung sorgen dafür, dass die Temperatur in Städten höher ist als im grüneren Umland. Heute tragen Industrie und Verkehr durch den Ausstoß von Treibhausgasen zusätzlich zum Klimawandel und damit zu einem Anstieg der globalen Durchschnittstemperaturen bei. Forscher des Karlsruher Instituts für Technologie fanden heraus, dass der Temperaturunterschied zwischen Stadt und Land in der Nacht besonders auffällig ist: Bei Messungen im Stadtgebiet Karlsruhe und dem nur 12 Kilometer entfernten, dafür aber weniger dicht bebauten Rheinstetten betrug die Differenz bis zu 7 Grad Celsius. Ein Unterschied zwischen 22 und 29 Grad schlägt auf die Gesundheit und macht sich vor allem in der Nacht bemerkbar: Ein komfortabler Schlaf ist bei solchen Temperaturen kaum möglich. Der Grund für die hohen nächtlichen Temperaturen: Mit Beton, Asphalt und Stein versiegelte Flächen nehmen die Wärme besonders an heißen Sonnentagen auf, speichern sie und geben sie selbst dann noch ab, wenn die Sonne längst untergegangen ist. Am Tag ist ein Spaziergang durch aufgeheizte Betonlandschaften nicht nur unangenehm, sondern kann zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen. Besonders betroffen davon sind Kinder, Senioren und Kranke. Im Rekordsommer 2003 starben in Deutschland 7.000 Menschen an den Folgen einer lange andauernden Hitzewelle, in Freiburg beispielsweise kletterte das Thermometer auf über 40 Grad. In Mitteleuropa fielen insgesamt 70.000 Menschen der Hitze zum Opfer.

Begrünungsprojekt Wanderbaumalle für mehr Stadtgrün in München
Begrünungsprojekt Wanderbaumalle für mehr Stadtgrün in München

Schon seit 1991 zieht die „Wanderbaumallee“ durch die Stadt, begeistert Anwohner für heimische Pflanzen und stößt dauerhafte Begrünungsprojekte an

Viel Grün hilft viel

Was kann also getan werden, um solche Hitzeinseln abzukühlen und das Stadtklima trotz Klimawandel erträglicher zu machen? Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Grünflächen statt versiegelter Betonwüsten, Straßenbäume statt Parkplätze, Fassadenbegrünung statt verspiegelter Gebäudeflächen. Denn eine natürliche Vegetation verschönert nicht nur das Stadtbild, sie hat gegenüber versiegelter Flächen gleich mehrere Vorteile: Schatten spendende Bäume bieten direkten Schutz vor der Sonne und zusammen mit Grünflächen wirken sie mit kühlenden Effekten direkt auf das Stadtklima.

„München ist die am dichtesten bebaute Großstadt Deutschlands. Hier leben 4.531 Einwohner auf dem qkm. Doppelt so viele wie in Hamburg (2.312) und auch zur Hauptstadt Berlin herrscht gebührender Respektabstand (3.837).“

Während Regenwasser auf Beton und Asphalt ungehindert in die Kanalisation abfließen kann, wird es durch begrünte Flächen im Boden gespeichert und den Pflanzen zur Verfügung gestellt. Über Pflanzen und Boden wird das gespeicherte Regenwasser anschließend verdunstet – Verdunstungskälte entsteht. Dieses Prinzip einer „natürlichen Klimaanlage“ kann vor allem an Fassaden von Gebäuden für eine erhebliche Verbesserung des Hitzeproblems sorgen. Denn durch Bepflanzung wird die Wärmerückstrahlung von Gebäuden um bis zu 80 Prozent reduziert. Nicht nur in der Vertikalen können Gebäude begrünt werden. Dachgärten bieten Nutzflächen zum Gärtnern, für Freizeit und Erholung – ganz ohne zusätzliche Grundstückkosten. Konsequente Gebäudebegrünung steigert die Lebensqualität, den Wohnwert und kann die soziale Bindung der Bewohner untereinander verbessern.

Mehr Grün für München

Nicht nur die Lebens- sondern auch die Luftqualität wird durch Begrünung erheblich gesteigert. Denn in Städten ist die stehende Luft vor allem problematisch, da Feinstaub und Schadstoffe wie Stickoxide sich in Bodennähe konzentrieren – und damit in der Atemluft von Fußgängern und Radfahrern. Vegetation bindet die Feinstäube, nimmt CO2 auf und produziert Sauerstoff. Somit verbessert sie die Luftqualität und kühlt den Straßenraum ab. Wenn es so viele gute Argumente für Begrünung gibt, sollte sie dann nicht eine viel größere Rolle spielen, auch in München?

„Unsere Aufgabe ist es, Anpassungsstrategien für die Auswirkungen des Klimawandels in München zu entwickeln.“

Die Umweltschutzorganisation Green City e.V. setzt sich schon seit 1990 für ein im wahrsten Sinne des Wortes grüneres München ein. Neben Schwerpunkten wie urbane Mobilität, Luftreinhaltung und Bildung für nachhaltige Entwicklung,  arbeiten im Bereich Stadtgestaltung Expertinnen und Experten an Begrünungsstrategien für eine zukunftsfähige Stadt. Mit der Wanderbaum- allee verwandelt der Verein regelmäßig triste Straßenzüge in grüne Alleen. In mehr als 60 Straßen bekamen Münchnerinnen und Münchner so eindrucksvoll gezeigt, wie viel mehr Lebensqualität eine zusätzliche Begrünung bedeutet. Damit die Freude nicht von kurzer Dauer ist, wurden 150 der „Wanderbäume“ dauerhaft gepflanzt, unter anderem in der Schrenk- und Steinstraße, im Hofgarten oder am Kaiserplatz. Damit es in München auch noch an weiteren Plätzen blüht und wächst, bietet Green City e.V. mit dem vom Referat für Gesundheit und Umwelt geförderten Begrünungsbüro ein Angebot, das sich an Bürgerinnen und Bürger, vor allem aber an Unternehmen, Bauwirtschaft sowie Hauseigentümer richtet. Es bietet ausführliche Informationen zu Fassaden-, Dach- und allen Formen der Begrünung von privaten und gewerblichen Grundstücken, die im Münchner Stadtgebiet liegen. Da Fläche in München ein knappes Gut ist, machen sich die Expertinnen und Experten von Green City e.V. vor allem für Gebäudebegrünungen stark: „Freiraum zum Erholen und Gärtnern muss auf Dächern geschaffen werden, die nicht ungenutzt sein sollten. Der Nutzungsdruck auf die immer weniger werdenden und stärker frequentierten Freiflächen, auf Grund des starken Zuzugs, muss verringert werden. Dies alles trägt zu einem grüneren lebenswerten München bei, für den sich Green City e.V. einsetzt“, erklärt Wolfgang Heidenreich, der bei Green City e.V. im Begrünungsbüro arbeitet.

Anlässlich des 1.200-jährigen Jubiläums des Stadtdteils Menzing startete das Begrünungsbüro  gemeinsam mit BürgerInnen, Vereinen und bürgerschaftlichen Einrichtungen die Aktion „1.200 Quadratmeter mehr Grün für Menzing“, in deren Rahmen zum Beispiel das Parkhaus eines Sportfachhandels begrünt wurde. Mit Aktionen wie dieser möchte Green City e.V. private und gewerbliche Hauseigentümer und Bauherren über die Vorteile der Gebäudebegrünung informieren und sie motivieren in und mit der Stadt München eine Vorreiterrolle einzunehmen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann nämlich die Gebäudebegrünung vom Baureferat Gartenbau gefördert werden. So soll qualitativ hochwertige Gebäudebegrünung zum Standard für zukunftsfähiges Bauen werden.

München – Das verborgene Klein Venedig

Doch nicht nur durch Begrünung lässt sich das Münchner Stadtklima verbessern. Eine weitere Möglichkeit liegt buchstäblich zu unseren Füßen: Stadtbäche, 175 Kilometer lang, erstrecken sich unter München. Diese verborgenen Seitenarme der Isar sind ein Relikt aus früheren Zeiten. Im 19. Jahrhundert trug  München sogar noch den Spitznamen „Klein-Venedig“. Damals war die Altstadt durchzogen von plätschernden Bächen, die alte Münchner Stadtmauer war eingerahmt von Wasser. Vom schnellen Wachstum der Landeshauptstadt verdrängt, wurden sie nach und nach aufgelassen. Spätestens mit dem Bau der U-Bahn-Trassen in den 1960er-Jahren wurden die meisten Bachläufe zugeschüttet. Nach und nach gerieten die Stadtbäche in Vergessenheit – bis heute. Denn eine neue Machbarkeitsstudie  von Green City e.V. hat ergeben, dass die Bäche abschnittsweise wieder an der Oberfläche plätschern könnten. Eine solche Stelle befindet sich zwischen Sendlinger Tor und Stachus. Green City e.V. setzt sich dafür ein, dass der westliche Stadtgrabenbach wieder das Tageslicht erblicken kann. Mit Hilfe von Pumpen und Turbinen, die der Bach selbst antreibt, könnte er aus vier Metern Tiefe nach oben geholt werden – und so an der Oberfläche durch den Grünzug in der Herzog-Wilhelm-Straße fließen. Im Schatten der Bäume dem Rauschen des Wassers lauschen: So könnten die Stadtbäche nicht nur einen Erholungseffekt verbreiten und die Münchner Innenstadt aufwerten, sondern durch ihre kühlende Wirkung außerdem die durch den Klimawandel zu erwartenden Hitzewellen abmildern.

Ansicht der Herzog-Wilhelm-Straße in München
Ansicht der Herzog-Wilhelm-Straße in München mit Bach

Wie schön wäre es wenn man sich an der Herzog-Wilhelm-Straße auf eine Parkbank setzen und dem Bach lauschen könnte – und dazu nicht wie bisher mit einem Klettergurt angeseilt erst zu ihm herabsteigen müsste! Tatsächlich verfügt München über ein Stadtbach-System von 175 Kilometern Länge. Fotos: Green City e.V.

Skizzenansicht der Herzog-Wilhelm-Straße in München mit Bach
Münchner Stadtbäche unterirdisch

Darüber hinaus bietet Green City e.V. viele Möglichkeiten, um sich für eine lebenswertere Stadt zu engagieren – und sie aktiv mitzugestalten. An jedem dritten Montag lädt der Verein alle Interessierten zum Stadtgrün-Stammtisch in das Büro in der Lindwurmstraße 88 ein, wo sie gemeinsam ihre Ideen für Begrünungsstrategien diskutieren können. Insbesondere steht die Anpassung an den Klimawandel im Vordergrund. Wer stattdessen selbst in der Erde graben und pflanzen möchte, kann an den Projekten Grünpaten und Essbare Stadt teilnehmen. Bei den Grünpaten verwandeln Bürgerinnen mit Unterstützung von Green City e.V. verwahrloste Flächen direkt vor ihrer Haustüre in grüne Beete. Der Verein erstellt ein Begrünungskonzept für die Streifen zwischen Gehsteig und Straße und organisiert die Bepflanzung, die AnwohnerInnen kümmern sich anschließend um das Wohl der Pflanzen. Ähnlich funktioniert das Projekt Essbare Stadt, bei dem Bürgerinnen die Beetpatenschaft  für eine von der Stadt München bereitgestellte Fläche übernehmen. Dort können sie eine Saison lang Gemüse, Obst und Kräuter anbauen, Green City e.V. unterstützt sie dabei mit Pflanz- und Ernteratschlägen.

Stadtbäche prägten das Stadtbild der Landeshauptstadt über Jahrhunderte. Heute erinnern daran aber nur noch Namen wie das Glockenbachviertel oder die Entenbachstraße.“

Auch in den anderen Bereichen gibt es viele Möglichkeiten zum Mitmachen. Ob Sie beim Bus mit Füßen Kinder auf dem Schulweg begleiten oder beim Stammtisch Mobilität und Verkehrswende zukunftsfähige Mobilität mit Gleichgesinnten diskutieren möchten – Green City e.V. bietet zahlreiche Möglichkeiten für echten Umweltschutz, die dabei auch noch Spaß machen. Dabei ist der Umweltschutzverein auf die Hilfe der MünchnerInnen angewiesen. Denn nur durch Ihre Unterstützung, Vorschläge und Ideen kann München zu einer Stadt werden, in der wir alle gerne leben möchten. greencity.de

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