Plastik Ade – Es geht auch ohne Plastik

Plastikfrei Illustration Titelfoto
Die Kunststoffabfallmenge hat sich in Deutschland im Zeitraum von 1994 bis 2015 auf ca. 5,92 Millionen Tonnen pro Jahr verdoppelt!

Dass unser  Plastikverbrauch erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt hat, ist inzwischen unbestreitbar. Dabei ist es nicht allein die Masse, sondern auch die lange Haltbarkeit des Unrats, die die Meere belastet. Um diese Müllberge einzudämmen, hat das EU-Parlament nun ein Verbot für Einweg-Plastikprodukte in die Wege geleitet – Plastikteller, – Trinkhalme und Wattestäbchen sollen künftig aus dem Handel verschwinden

Wir leben in einer „Plastikzeit"

Nützliche Produkte aus Kunststoff umgeben uns, aber auch immenser, größtenteils   völlig unsinniger Plastikmüll. Selbst der- oder diejenige unter uns, der Augen und Ohren verschließt, riecht die Katastrophe – oder schmeckt sie, da wir mittlerweile tagtäglich winzige Plastikteilchen über die Nahrung zu uns nehmen. Langsam aber sicher wird der Anhäufung von immer weiter wachsenden Plastik- und Abfallbergen der Kampf angesagt. Nicht zuletzt wird die bereits im Frühjahr 2019 vom EU-Parlament verabschiedete Plastikstrategie das Bewusstsein der Konsumenten stärken und vor allem auch die Hersteller in die Pflicht nehmen. Hoffentlich hat das dann schnell zur Folge, dass viele in Plastik gerollte und verschweißte Lebensmittel aus dem Angebot im Supermarkt verschwinden. Es wird sicher nicht lange dauern, bis selbst die hartgesottensten Ignoranten das neue Einkaufserlebniss akzeptieren und schätzen. Genau genommen sind seit dem 3. Juli 2021 in Deutschland sogar zwei neue Gesetze in Kraft getreten: die Einwegkunststoff-Verbotsverordnung und die Einwegkunststoff-Kennzeichnungsverordnung. Diese Gesetze sollen helfen, dass weniger Kunststoffabfälle falsch entsorgt werden oder als wilder Müll in der Umwelt landen. Anlass war, dass an europäischen Stränden immer mehr Plastikteile zu finden sind. Die Verpackungen und Produkte, die am meisten gefunden wurden, sind in die beiden Gesetze aufgenommen worden. Gerade die Abfallberge von Verpackungen für den Außer-Haus-Konsum von Essen steigen seit Jahren an. So haben sich in den letzten 25 Jahren die Behältnisse für Take-away aus Kunststoff verdoppelt.

Was wird verboten, was muss gekennzeichnet werden?

Diese Gegenstände dürften laut Verbotsverordnung nicht mehr aus Plastik hergestellt werden: Besteck, kosmetische Wattestäbchen, Luftballonstäbe, Rührstäbchen – zum Beispiel für Heißgetränke –, Teller, Schalen und Trinkhalme. Außerdem verboten sind Lebensmittel- und Getränkebehälter aus expandiertem Polystyrol (Styropor). Händler (bzw. Geschäfte) und Gastronomiebetriebe dürfen ihre Restbestände aber für eine noch nicht festgelegte Übergangszeit vorerst weiter ausgeben. Andere Einwegprodukte werden nicht verboten, aber es muss jetzt laut Kennzeichnungsverordnung auf der Verpackung darauf hingewiesen werden, dass sie Kunststoffe enthalten und wie sie deshalb zu entsorgen sind. Kennzeichnungspflichtig sind Einweggetränkebecher aus Papier mit Kunststoffbeschichtung, Damenhygieneartikel wie Binden und Slipeinlagen sowie Tampons und deren Applikatoren, Feuchttücher sowie Zigarettenfilter und Tabakprodukte mit Filtern.

Welche guten Alternativen zu Einwegprodukten gibt es?

Leider gibt es (noch) nicht für jede Anwendung eine ökologisch bessere und zugleich bequeme Alternative. Sogenannte Bio-Kunststoffe, die aus pflanzlichen Rohstoffen statt aus Erdöl hergestellt werden, können von Kompostieranlagen in der Regel nicht gut abgebaut werden. Plastik einfach durch Papier zu ersetzen, erhöht wiederum den Druck auf unsere Wälder, sofern nicht Recyclingmaterial verwendet wird. Und wie eine kürzlich veröffentlichte Untersuchung des Verbraucherzentrale Bundesverbands ergeben hat, enthält auch plastikfreies Einweggeschirr aus Pappe, Palmenblättern oder Zuckerrohr häufig gesundheitsgefährdende Stoffe. Aluminiumschalen schließlich sollten ebenfalls aufgrund des hohen Energieverbrauchs vermieden werden. Mehrweggeschirr ist hier der Star im Rampenlicht der Alternativen. Das Münchner Start-up reCup verfolgt beispielsweise zielstrebig die Vision eines „flächendeckenden und einheitlichen To-go-Pfandsystems für ganz Deutschland“. Mit inzwischen 8.900 Ausgabe stellen in Deutschland ist das im Herbst 2016 gegründete Unternehmen auf dem besten Weg dorthin. Die Lösung der Mehrwegidee ist denkbar einfach – vorausgesetzt, Anbieter und Kunden machen mit. Gäste zahlen Pfand und können Recup oder Rebowl bei der nächsten Bestellung gegen eine(n) frische(n) tauschen oder erhalten bei Abgabe den gezahlten Betrag zurück. 

RECUPxREBOWL
Ein reCup ersetzt im Laufe seines Lebens bis zu 1.000 Einwegbecher; Foto: reCup GmbH

Alternativen für böse Plastikstrohhalme gibt es auch bereits: spülmaschinentaugliche Trinkhalme aus Edelstahl oder auch aus Glas, wie sie das Berliner Start-up HALM herstellt. Oder essbare Trinkhalme aus nachwachsenden Rohstoffen: So bieten die jungen Gründer von Wisefood einen Trinkhalm aus Getreide, Apfelfasern und Stevia. Für die Herstellung des „Superhalm“ wird Apfeltrester verwertet, ein Abfallprodukt aus der Apfelsaftproduktion. Die Trinkhalme haben einen süßen und leicht sauren Geschmack. Je länger der Trinkhalm im Getränk bleibt, desto weicher wird er. Ob wiederverwendbar oder essbar – sie sind eine nachhaltige Variante zum herkömmlichen Plastikhalm. Auch die hessische Firma Compostella setzt Akzente: Ihr „1 für 4-Papier“ ist kompostierbar und durch eine mechanische Behandlung fettdicht, hitzebeständig und für den direkten Kontakt mit  Lebensmitteln geeignet. Es ersetzt Alu- und Einschlagfolien sowie silikonisiertes Backpapier. Last but not least dient es auch als Frischhaltefolie: Indem man es unter Wasser hält, lässt es sich leicht formen und als Papierfolie über die abzudeckenden Speisen spannen. An weiteren Alternativen zu herkömmlichen Plastikverpackungen wird geforscht. Nun gilt es, diese aus der Nische zu holen und ihre Massentauglichkeit zu testen.

Eine weitere tolle Idee möchten wir Ihnen nicht vorenthalten: „Fries in a cone“, die nachhaltige Frittentüte, ist zwar beispielsweise noch ein Prototyp, aber trotzdem höchst zukunftsfähig. Bei der Herstellung von Pommes Frites fallen Unmengen an Kartoffelschalen an. Auch diese eignen sich wie andere pflanzliche Abfallprodukte dafür, zu Verpackungen verarbeitet zu werden, dachten sich die italienischen Designstudierenden Simone Caronni, Pietro Gaeli und Paolo Stefano Gentile. Die Fritten werden somit in der gleichen „Schale“ serviert, in der sich die Kartoffel ursprünglich befand. Nach der Verwendung kann die Verpackung wieder in den biologischen Kreislauf zurückgeführt werden, um als Tiernahrung oder Düngemittel für Pflanzen zu dienen. Der Weg in die Post-Plastic- und Zero-Waste-Ära ist noch lang – je früher wir die Reise starten, desto besser. 

Peel Saver Packaging; Foto: Pietro Gaeli, Simone Caronni and Paolo Stefano Gentile
Die Pommes werden also in der gleichen Schale serviert, die ursprünglich die Kartoffel umhüllte und schützte; Foto: Pietro Gaeli, Simone Caronni and Paolo Stefano Gentile

Was ist dann der Ausweg aus der Einwegplastikluft?

Grundsätzlich ist der Verzicht auf Einwegplastik immer am besten. Gastronomiebetriebe und wir Verbraucher sollten Mehrwegprodukte nachfragen und benutzen. Ob Betriebe ihr eigenes Mehrweggeschirr verwenden oder Verbraucher selbst Gefäße mitbringen, ist von der Ökobilanz her zunächst nachrangig. Wichtig ist natürlich, dass die Mehrweggefäße so oft wie möglich genutzt werden. Das aber geschieht derzeit noch zu selten. Im Frühjahr 2021 führte die Verbraucherzentrale Bayern gemeinsam mit der Verbraucherzentrale Hamburg und dem Verbraucherzentrale Bundesverband unter den 26 umsatzstärksten Anbietern für To-go-Verpflegung eine Untersuchung  durch. Demnach nutzt die Hälfte der Befragten mittlerweile Papier- statt Plastiktüten. Zehn Firmen geben in ihren Filialen Getränke in beschichteten Pappbechern aus. Neun Betriebe verwenden noch Kunststoffdeckel für das Verschließen von Getränkebechern. Acht Unternehmen füllen Getränke auch in Mehrwegbechern ab. Ein Trend zu Einwegverpackungen und Besteck aus Ersatzmaterialien ist zwar zu erkennen, mehr aber auch nicht. Gerade einmal zwei Firmen bieten in ihren Filialen neben Trinkbechern auch andere Mehrwegbehältnisse an. Insbesondere bei Speisen ist das Angebot überschaubar. Meist kann man nur mitgebrachte Boxen befüllen lassen. Die Verbraucherzentralen vermissen daher echtes Engagement seitens der Betriebe, Verpackungen zu reduzieren und konsequent auf Mehrweg umzusteigen. Dabei wäre das gar nicht so schwer, wie die Mehrweg-Kunststoff-Polypropylen(PP)-Produkte von Recup beweisen. Das Material ist leicht, kommt ohne Weichmacher aus und ist auch bei heißen Lebensmitteln stabil. Ab 2023 werden die Regeln jedenfalls noch einmal verschärft. Dann sind Restaurants, Bistros und Cafés gesetzlich verpflichtet, Getränke und Speisen zum Mitnehmen auch in Mehrwegverpackungen anbieten.

Was könnten Verbraucher sonst noch tun?

Gänzlich vermeiden können wir Plastik und Verpackungen im Alltag sicher nicht. Aber eine eigene Trinkflasche, einen Becher oder eine Mehrwegdose kann man leicht unterwegs dabei haben und befüllen lassen. Mehrwegsysteme aus Glas oder auch Kunststoff, wie zum Beispiel Joghurt im Mehrwegglas oder Getränke in Mehrwegflaschen – regional abgefüllt – sparen nicht nur Plastik, sondern auch Transportwege. Obst und Gemüse kauft man am besten unverpackt. Wer nicht auf Trinkhalme verzichten möchte, kann wiederverwendbare aus bruchsicherem Glas, Edelstahl oder Silikon wählen. Auch Mehrwegwattestäbchen aus Silikon sind als ökologische Alternative vertretbar. Sie werden gereinigt und sind lange verwendbar.

Immer mehr unverpackt Läden machen in München auf und zeigen, wie Sie beim Einkauf ganz auf Plastik verzichten können. Hier finden Sie 7 verpackungsfreie Läden.

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